Für die Kirche im Osten zu arbeiten ist sicher etwas anders als im Westen!

Kinderzeichnung Schulweg Jaana Hilgenfeld Foto: Hilgenfeld privat

Mein Vater ist Deutscher, meine Mutter Finnin und ich wurde in Westberlin geboren. Wir sind dann sehr häufig umgezogen, weil mein Vater als Wissenschaftler gearbeitet hat, d.h. ich habe keinen klassischen Heimatort. Der finnische Erziehungsstil meiner Mutter hob sich ab von den Frauenbildern im Frankfurter Speckgürtel. Sie ist immer arbeiten gegangen, sie war Bibliothekarin, und es war klar, dass meine Aufgabe die Schule ist. Ich war ein Schlüsselkind und hatte damit gar kein Problem.

Ich lebe seit 11 Jahren hier in Leipzig und merke, dass dieses Frauenbild in Sachsen sehr gut passt.

Ich hatte zunächst Volkswirtschaftslehre mit sozialwissenschaftlicher Ausrichtung in Köln studiert, aber bald bemerkt, dass ich doch zu viel rechnen muss. Also habe ich mich nur noch auf mein Hauptfach Fennistik konzentriert, das ist die Wissenschaft von der finnischen Sprache, Literatur und Kultur. Ich war schnell Mitglied in der Deutsch-Finnischen Gesellschaft in Köln und habe mich in der Städtepartnerschaft engagiert, Interviews geführt, Videos gedreht und Autorenlesungen moderiert.

Als ich schwanger wurde, dachte mein Arbeitgeber, dass ich jetzt drei Jahre zu Hause bleibe, aber für uns war sofort klar, dass wir uns die Elternzeit aufteilen. Es hat mich geärgert, dass ich danach nur noch in eine Teilzeitstelle entfristet werden sollte, ich wollte in Vollzeit arbeiten. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, als bei der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen im Landarbeitskreis Sachsen eine Stelle frei wurde. Ich könnte nicht in irgendeinem Versicherungsunternehmen xyz meinen Platz finden, wo ich nichts sinnstiftendes machen kann.

Das Familienbild, das wir vertreten, heißt: Familie ist, wo man gemeinsam lebt und sich wohlfühlt. Die Rollenbilder bleiben dabei offen.

Für die Kirche im Osten zu arbeiten ist sicher etwas anders als im Westen. In meinem Freundeskreis ist zum Beispiel niemand gläubig, deshalb sollte ich plötzlich erklären, warum ich eigentlich in der Kirche bin. Ich war immer in der finnischen Gemeinde. Die finnische Auslandsgemeinde ist auch für Nicht-Gläubige offen. Das hat mich sehr in meinem Glauben geprägt. Für meinen Glauben brauche ich die Institution Kirche nicht, aber um Familien zu stärken, ist sie wichtig.

Quellenangaben: Portrait Jaana Hilgenfeld 2019 (Quelle: Johannes Amm)

Lebenswegstation 1

Bereit zum Engagement!

Ich wurde nicht bewusst als politischer Mensch erzogen, aber das Fach Gemeinschaftskunde fand ich schon immer spannend. Mit 16 wurde ich Mitglied der SPD und war sogar für die Jusos in der Stadtverordnetenversammlung. Aber als ich zum Studium nach Köln gezogen bin, habe ich dort bei den Hochschuljusos keinen Anschluss gefunden. Ich habe mich dann in der Fachschaft engagiert und einen Frauenfußballverein gegründet. Ich engagiere mich wirklich gern, aber dieser Kleinkrieg in den deutschen Vereinsstrukturen hat mich irgendwann richtig belastet.

Jetzt in der finnischen Auslandsgemeinde hier in Leipzig ist das komplett anders. Die Gesprächsmöglichkeiten, die ich dort habe und diese Offenheit sind für mich ganz wichtig. Wir haben sogar eine Sprachenschule gegründet, in der unsere Kinder Finnisch lernen. Alles was ich an Ideen einbringe, setzen wir um.

Ich glaube die Bereitschaft zum Engagement hat viel mit den Menschen zu tun, mit denen man zusammen ist.

1999 Friedrichsdorf SPD-Kandidatenliste 2, Unten vorn: Jaana Hilgenfeld Schülerin, Kommunalpolitische Schwerpunkte: Jugend und Toleranz Quelle: SPD

Lebenswegstation 2

Glauben ist persönlich!

Ich habe sehr lange niemandem erzählt, wie mein Glauben aussieht und wenn, dann hatte ich immer das Gefühl, ich müsste ihn gegen die Vorurteile gegenüber der Kirche verteidigen. Erst im letzten Jahr hat sich das geändert.

In meinem Freundeskreis sind alle Nichtchristen, außer einer Freundin, die ist katholisch, aber die kommt aus dem Westen. Auch mit meinem Freund haben wir lange diskutiert und dann hat er glaube ich erst verstanden, wie viel der Glauben für mich bedeutet.

Letztes Jahr zum Mittsommer im Juni haben wir dann tatsächlich eine richtige finnische Taufe gemacht. Das mit den Taufpaten war schon spannend, wir haben zwei Taufpaten aus Deutschland und meine Cousinen aus Finnland, die auch in der Kirche sind, sind die Taufpatinnen.

Bei der finnischen Taufe ist der Gottesdienst im Freien, alle singen Volksliedern und ich hatte meinem Sohn eine kleine Tracht angezogen. Meine Freunde waren alle sehr positiv überrascht und viele haben mir hinter gesagt, dass sie richtig weinen mussten. So einen Effekt hat Gottesdienst sehr häufig für mich, das kann ich schwer teilen. Jetzt habe ich nicht mehr das Gefühl, meinen Glauben begründen zu müssen.

Juni 2019 Mittsommertaufe des Sohnes Foto: Hilgenfeld privat